Das dreigeschossige Giebelhaus mit Kemladen erhielt seine heutige Gestalt im frühen 18. Jh. Mit seinem geschwungenen Giebel und der gesprengten Haubenbekrönung passt sich das Gebäude an die Fassadengestaltungen der Umgebung an. Im Kern reicht die Bausubstanz dieser Häuser bis in das 14. Jh. zurück. Im Inneren sind u. a. die zweistöckige Diele, der Hausbaum, Treppe, Herdglocke und Malereien nach den Gesichtspunkten des Denkmalschutzes in fast dreijähriger Bauzeit (1999 – Dezember 2001) wieder entstanden. Das Denkmal wurde von unserem Verein gefördert.
Auf der Veranstaltung des Bürgerkomitees ”Moderne Nutzung in alten Gemäuern“ am 28. November 2002 berichteten Herr und Frau Werner von der Sanierung der Mänchstr. 12. Der Vortrag fand soviel Anklang. dass wir ihn hier weitgehend ungekürzt wiedergeben:
Wir sind beide von Beruf Musiker. Meine Frau stammt aus Ansbach, ich habe die Gymnasialjahre in Bamberg verbracht, einer Stadt, die längst in der Welterbeliste der Unesco steht. Es lag nahe, im Alter wieder zu diesen schönen Wurzeln zurückzukehren. Aber wir haben beschlossen, etwas Neues zu beginnen. Nach der Wende konnten wir endlich den ganzen Ostseeraum bereisen, und Waren vor allem von Stralsund angetan. Hier wollten wir also wohnen, aber zunächst ohne den großen Plan, ein ganzes Haus wiederherzustellen. Erst als sich die noch verbliebenen Wohnungsgrundrisse des Projekts Frankenstraße 31-33 als zu klein für zwei Musiker erwiesen, waren wir reif für den Architekten Mittelbach. Er konnte uns überreden, eines der vielen maroden unbewohnten Häuser zu restaurieren.
Wie alt ist nun unser altesGemäuer?
Teile des Gebäudes stammen noch aus dem Mittelalter. Es war ursprünglich ein Kaufmannshaus mit Speicherräumen, innerem Lastenaufzug, großer Verkaufs- und Büro -Diele und offener Feuerstelle, der heutigen Herdglocke. Ein umfangreicher Umbau fand 1640 statt. Aus dieser Zeit stammen z.B. die Reste von Fresken und die BemaJung der Deckenbalken. Das 19. Jahrhundert hat die Fassade nochmals verändert und damit das Erscheinungsbild von der Straße her geprägt. Im 19. und 20. Jh. wurden zur intensiveren Wohnnutzung zusätzliche Wände und auch Decken eingezogen, womit u. a. die zweistöckige Diele wieder verschwand.
Und welcher Baustil ist zu erhalten?
Wer zu einer denkmalgerechten Sanierung bereit ist, fragt sich immer, welchen Zeitpunkt aus den verschiedenen Bauphasen er für die Restaurierung wählen soll. Die Denkmalbehärde gab darauf die bindende Antwort, die barocken Elemente wieder sichtbar zu machen und damit natürlich auch den Zustand vor den Einbauten. Ein Zurückgehen auf die gotischen Fenstergrößen und -rahmungei, die man nach dem Abschlagen des Putzes an der Fassade erkennen konnte, wurde nicht gestattet. Den spitzbogigen Blendbogen in der Halle ließ ich ohne entsprechende Rückfrage wiederherstellen. Nachdem wir den Visionen von Herrn Mittelbach gefolgt waren, erkannten wir folgende Eigenarten bzw. Qualitäten des Hauses: Schmucker Giebel in einer der schönsten Straßen der Stadt mit viel Kultur ringsum, Nähe zu einigen nützlichen Geschäften, der für Stralsund typische Hausbaum, barocke Bemalungsreste an Decken und Wänden der großen Halle, der für sich stehende Kemladen für die Musikübungen, geringe Raumhöhen im 2. und 3. OG, schöne Entlastungsbögen in der Halle und ebensolche an der Nordseite des Kemladens, ein windgeschützter Hof mit Gärtchen, Fledermäuse im Keller, Schwalbenschwanzraupen im Garten (und jetzt als Puppen im Dachgeschoß?), und wie sich erst nach dem Einzug herausstellte eine sehr ruhige Lage, die wir allerdings mit Schallschutzfenstern im EG schon unterstützt hatten.
Verzögerungen und ihre Konsequenzen
Im Juli 1998 hatten wir das Grundstück mit Ruine gekauft. Auch ohne die Förderzusage des Landes durften wir Anfang 2000 erste Sicherungsmaßnahmen durchführen und Gutachten erstellen lassen. Das Holzgutachten zählte viele Sorten Pilze und Schwämme und einige allerliebste kleine Käfersorten auf; deswegen haben wir es auch gelesen und bei den Fotos den gewaltigen Restaurierungsaufwand geahnt. Das Statiker-Gutachten von ziemlicher Dicke habe ich nur deswegen angefordert, weil es so teuer war; gelesen haben wir es nie. Die obligatorischen archäologischen Grabungen ergaben keine Kunstschätze, was auch seine Vorteile hatte. Die Zusage der Fördermittel ließ nach eineinhalb Jahren immer noch auf sich warten. Als wir feststellen mussten, dass die Pilze im Haus teilweise wieder nachgewachsen waren, wurden wir energischer: Ichfuhr im Februar 2000 zunächst nach Schwerin ins Ministerium und dann noch mal zur SES. Von dort kehrte ich dann endlich mit einer Förderzusage heim. Ab da ging es voran.
Gemischte Gefühle
Die Entdeckung der besagten Freskenreste im Haus löste gerrüschte Gefühle aus, die Entdeckung von Farbresten an der Fassade überstanden wir nur mit Hilfe von Herrn Mittelbach, der eine Förderung durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz erreichte. Sichtbar geblieben von dieser Fassadenmalerei ist ein kleiner Ausschnitt in der Mitte, den die OZ endlich einmal zur Würde des Rätselratens erheben sollte! (Übrigens hat sich der tüchtige Handwerker der die Farbreste an der Fassade entdeckt und pflichtgemäß weitergemeldet hatte, bei mir dafür entschuldigt.)
Aber schön ist es geworden unser Haus …
Im EG liegen gleich nach dem Eintritt durch den originären Windfang Küche und Esszimmer. Die sehr schön wiederaufgearbeitete Treppe befindet sich bereits in der zweistöckigen Halle mit dem großen neuen Fenster und der Tür zum Hof bzw. Gärtchen. Weil die geborgenen teuren Ölsandsteine auf unerklärliche Weise immer weniger geworden waren, mussten wir die Halle größtenteils mit neuem Dolomit belegen. Übrigens entwickelt vor allem hier die Fußbodenheizung ihre Qualitäten. Abstellraum und Toilette sind die einzigen Räume ohne natürliches Licht, was bei einem Giebelhaus gar nicht selbstverständlich ist. Es kommt uns dabei zu Gute, dass rechts neben uns ein Traufenhaus steht, das nicht ganz so tief in das Grundstück hinein reicht wie unser Haupthaus, so dass z. B. die Bäder auf dieser Seite ihre kleinen Fenster wieder bekommen konnten. Im EG des Kemladens befindet sich das mühsam akustisch hergerichtete und isolierte Musikzimmer.
Im 1. OG befinden sich u. a. Bibliothek und Arbeitszimmer meiner Frau, die schön wieder aufgearbeitete klassizistische Verkleidung des Hausbaums und ein respektables Fresko. An Stelle des längst verschwundenen Geländers der Galerie haben wir bewusst ein modernes Stahlgeländer anbringen lassen.
Im 2. OG durften wir teilweise die Balken um 25 cm nach oben verlegen, um eine erträgliche Raumhöhe von 2,05 m zu erreichen. Hier befinden sich u. a. die Schlafzimmer und Gästezimmer. Aus restaurierten Resten eines vorgefundenen Wandschranks mit Schablonenmalerei und alten Raumteilern haben wir einen äußerst praktischen begehbaren Kleiderschrank anfertigen lassen.
Das 3. OG hat ebenfalls nur die geringe Raumhöhe von 2,0 m und schräge Wände, ist nicht beheizbar, hat keinerlei Raum auftei!ung und dient wieder seinem ursprünglichen Zweck als Lagerraum. Vom Spitzbogen aus hat man nach beiden Seiten herrliche Ausblicke über die Stadt.
Die Inneneinrichtung
Die Inneneinrichtung verlief unterschiedlich: Für den Kauf der sanitären Artikel und manches Anderem nahm Herr Mittelbach freundlicherweise meine Frau mit und konnte sie in alten strittigen Fällen von seiner Ansicht überzeugen. Da sie wusste, dass kein Luxus in Frage kam, mischte ich hier nicht mit. Bei der Beleuchtungsfrage hingegen habe ich die Chance vertan, mich gegen 95 Spots durchzusetzen. Die großen Gegenstände, die wir für die Halle benötigten, konnten wir günstig aus Auktionen erwerben, wobei ich als telefonischer Mit -Steigerer bei einer französischen Auktion zweifelos über mich hinausgewachsen bin.
Finanzen und Förderer
Es gab gegen Ende der Bauzeit einen schlimmen finanziellen Engpass. Da hat in der Stadtsparkasse Frau Strattner die richtige Idee entwickelt, wie wir relativ schnell und einfach zu einem Zwischenkredit und die Arbeiter pünktlich zu ihrem Geld kamen. Wir danken aüch dem Land für die bisher eingetroffenen 80% der Fördermittel. Wir danken der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und auch dem Bürgerkomitee „Rettet die Altstadt Stralsund“ für die Restaurierung unserer Haustür. Für die im Sommer vorbeiströmenden Touristen hätte sicher eine wiederhergestellte Fassade genügt. Wir wollten aber nicht nur eine Lücke in der Straßenzeile schließen, sondern fanden es sehr reizvoll, die besondere Atmosphäre eines alten Kaufmannshauses mit unserem Bedürfnis nach Musikausübung und nach gemütlichem Wohnkomfort zu verbinden. So ist eines der alten Patrizierhäuser von Stralsund auch in seinem Inneren weitgehend wiedererstanden.
Ziemlich fertig
Das Haus und ich waren nach einem Endspurt beim Einzug Anfang Dezember 2001 ziemlich fertig. Meine Frau traf etwas später ein, weil sie noch in einem Orchester zur Verbesserung unserer Finanzen aushalf. …
Gut genutzt
Apropos „Nutzung in alten Gemäuern“ : Wir haben die Halle bereits einer gewissen Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt, z. B. als Ort einer Parteiversammlung und für unser, Hauskonzert. Weitere halböffentliche Verwendungen sind schon fest vereinbart bzw. vorgesehen.