Nach gut zweijähriger Bauzeit erstrahlt das Giebelhaus Ravensberger Straße 4, erbaut in der 1. Hälfte des 18. Jh., wieder in seiner alten Schönheit (s. Bericht S. 5). An der Rückseite schließt sich ein zweigeschossiger Kemladen mit Querflügel in Fachwerkbauweise an. Familie Maacks-Mitusch hatte dieses schwierige Objekt erworben, und wurde fachlich vom Architekturbüro Eriksson unterstützt. Bei der Sanierung wurde darauf geachtet, dass so viel wie möglich von der alten Bausubstanz erhalten blieb. So wurden die alten Paneele im Kemladen wieder angebracht, und von Herrn Thormeier wurden verschiedene Malereien restauriert. Es wurde ein Fahrstuhl eingebaut, um so 8 alters- und behindertengerechte Wohneinheiten zu schaffen.
„Alle sagten: Das geht nicht. Dann kam einer, der wusste das nicht, und hat’s einfach gemacht!“
Als das Ehepaar Mitusch 2013 das Giebelhaus in der Ravensberger Str. 4 erwarb, haben sie sicher nicht das Ausmaß der Arbeit erahnen können, das sie dann in den folgenden über zwei Jahren Bauzeit erwarten sollte. Das Gebäude war eines der letzten unsanierten Giebelhäuser der Stralsunder Altstadt und in einem erbarmungswürdigen Zustand. Doch schon bei einer von mir frühzeitig durchgeführten ersten Befunduntersuchung zeigte sich, dass sich in vielen Bereichen des Hauses wertvolle historische Zeugnisse verschiedener Bauphasen erhalten haben. Dieses setzte natürlich die Bauherren und Architekten unter großen Druck, große Verantwortung für das Kulturgut wurde voraus gesetzt. Nach Planung des begleitenden Architekturbüros Eriksson sollen sieben hochwertige Wohnungen entstehen, die alle modernstem Standard entsprechen. Gleichzeitig mussten aber auch die Auflagen der Denkmalpflege berücksichtigt werden. Dieser Kompromiss ist, dank der einfühlsamen Herangehensweise der Fam. Mitusch auf wundersame Weise gelungen. So ist nach der Sanierung noch der gesamte Flur und Treppenhausbereich in seiner historischen Struktur und Erlebbarkeit, inklusive der Treppe vom Anfang des 19. Jh., im Erd- und 1. 0bergeschoss, erhalten. Alle Raumstrukturen in der sogenannten Belletage sind sichtbar belassen und es wird von allen aufgedeckten historischen Wandund Deckenfassungen vom 18.–20. Jh. wenigstens eine Befundachse gezeigt.
Besonders im 1. Obergeschoss spürt man in der Haupthauswohnung im hofseitigen Raum, dem ehemaligen Saal, noch die Geschichte des Hauses. Nach dem großen Stadtbrand 1680 lag auch das Gebiet um dieses Baugrundstück in Schutt und Asche. Erst nach und nach ging es mit dem Wiederaufbau in der Stadt voran, sodass hier 1726 das städtische Syndikathaus, ein Giebelhaus mit hoher Diele, errichtet wurde. Mehrere bekannte Persönlichkeiten der Stadt wohnten hier in der Folgezeit, wie z.B. Christian Ehrenfried von Charisius (Landrat 1747-1770) oder Dr. Paul Langemak (Ehrenbürger der Stadt 1876-1912). Noch im 18. Jh. wurde diese Diele aufgegeben und zum Ende des 18. Jh. entstand im OG dann der heute noch erhaltene Saal. Auf den Wandflächen dieses Saales hat sich, unter diversen Tapetenlagen eine aufwendige Wandgestaltung aus der Entstehungszeit erhalten. Auf mehreren raumgliedernden Medaillons sind gemalte Landschaftsdarstellungen mit Tempelruinen erkennbar, ein typisches Motiv in der Zeit der Aufklärung um 1800. Vergleichbar in Stralsund ist dieser Raum sicher mit dem Hackertschen Tapetensaal, wenn auch dieser in einem besserem Zustand erhalten ist. Bei der erfolgten Sanierung wurde eine Landschaftsrotunde freigelegt, gereinigt und teilweise retuschiert, um einen Eindruck der ehemaligen Saalgestaltung erlebbar zu machen. Ebenfalls eine Besonderheit finden wir im 1. Obergeschoss des Kemladens. Hier entstand in der Mitte des 19. Jh. ebenfalls ein Saal, von dem die Struktur und auch auf zwei Wandflächen die historische Wandfassung erhalten blieb. Diese aufwendige mehrfarbige Schablonenmalerei konnte restauriert und teilweise rekonstruiert werden und ist heute ein Blickfang in dieser Wohnung.
Wolf Dieter Thormeyer